Warum ein Corporate Carbon Footprint für Unternehmen strategisch relevant ist
Der Corporate Carbon Footprint (CCF) beschreibt die gesamten Treibhausgasemissionen eines Unternehmens über ein definiertes Jahr hinweg – über alle Standorte, Prozesse und wesentlichen Aktivitäten. Er ist:
- Startpunkt jeder Klimastrategie (1,5 °C, Net Zero, SBTi).
- Grundlage für ESRS E1 und CSRD-Reporting.
- Entscheidungsbasis für Investitionen in Energie, Gebäude, Mobilität und Lieferkette.
- Kommunikations- und Vertrauenselement gegenüber Kunden, Banken, Investoren und Mitarbeitenden.
Ohne belastbaren CCF bleibt „Dekarbonisierung“ reines Bauchgefühl. Mit einem strukturierten CCF lassen sich Emissions-Hotspots identifizieren, Maßnahmen priorisieren und Fortschritte messbar machen.
Definition: Was ist ein Corporate Carbon Footprint?
Der Corporate Carbon Footprint umfasst alle direkten und indirekten Treibhausgasemissionen, die einem Unternehmen in einer bestimmten Berichtsperiode zuzuordnen sind. Er wird in der Regel:
- in CO₂-Äquivalenten (CO₂e) angegeben (inkl. z. B. Methan, Lachgas),
- nach dem GHG Protocol und/oder ISO 14064-1 abgegrenzt,
- in die drei Scopes unterteilt:
- Scope 1 – direkte Emissionen
Emissionen aus Quellen, die das Unternehmen selbst kontrolliert (z. B. Kessel, Öfen, firmeneigene Fahrzeuge). - Scope 2 – indirekte Emissionen aus eingekaufter Energie
Emissionen aus der Erzeugung von Strom, Wärme, Kälte und Dampf, die von externen Versorgern bezogen werden. - Scope 3 – sonstige indirekte Emissionen
Vor- und nachgelagerte Emissionen in der Wertschöpfungskette, z. B. eingekaufte Materialien, Transport, Nutzung der Produkte, Geschäftsreisen, Pendeln, Entsorgung.
Für viele Industrie- und Mittelstandsunternehmen gilt: Scope 3 ist der größte Hebel, wird aber oft am wenigsten verstanden – und genau hier differenzieren sich professionelle Ansätze.
Rahmenwerke und Standards: Woran Unternehmen sich orientieren sollten
Für einen glaubwürdigen CCF sind anerkannte Rahmenwerke entscheidend:
- GHG Protocol – Corporate Standard
international etablierter Standard für Unternehmens-Emissionen (Scope 1–3). - ISO 14064-1
Norm für die Quantifizierung und Berichterstattung von Treibhausgasemissionen auf Organisationsebene. - ESRS E1 (unter CSRD)
verlangt u. a. Angaben zu Treibhausgasemissionen, Methodik, Systemgrenzen und Dekarbonisierungsplänen. - Science Based Targets initiative (SBTi)
nutzt CCF-Daten als Basis, um wissenschaftsbasierte Reduktionsziele zu validieren.
Für die Praxis heißt das: Ein CCF sollte so aufgebaut sein, dass er sowohl GHG Protocol als auch künftige ESRS-Reports bedient – das spart später doppelte Arbeit.
Vorgehen Schritt für Schritt: So entsteht ein belastbarer CCF
Zielsetzung, Scope und Organisationsgrenzen definieren
Am Anfang steht die Frage: Was genau wollen wir abbilden – und warum?
- Zweck klären:
z. B. Basis für eine Klimastrategie, CSRD-Reporting, Kundenanforderungen, Finanzierung. - Organisationsgrenzen definieren:
- Equity-Share-Ansatz (beteiligungsorientiert) oder
- Control-Ansatz (operativ/finanziell kontrollierte Einheiten).
- Berichtsjahr festlegen:
i. d. R. das letzte abgeschlossene Geschäftsjahr. - Standorte und Länder:
Produktionswerke, Büros, Lager, Vertriebsstandorte etc.
Ergebnis: Ein klar definierter „Scope der Betrachtung“, der intern abgestimmt und dokumentiert ist.
Emissionsquellen identifizieren (Scope-Mapping)
Im zweiten Schritt werden relevante Emissionsquellen systematisch erfasst:
- Scope 1 (direkt):
- Brennstoffverbrauch (Gas, Öl, Diesel, Benzin, Propan etc.)
- Eigene Blockheizkraftwerke, Notstromaggregate
- Firmenfuhrpark (PKW, LKW, Stapler)
- Scope 2 (indirekt, Energie):
- Eingekaufter Strom
- Eingekaufte Fernwärme/-kälte
- Strom aus PPAs / Herkunftsnachweisen
- Scope 3 (indirekt, Wertschöpfungskette – Auswahl):
- Eingekaufte Güter und Dienstleistungen
- Vorprodukte und Rohstoffe
- Transport & Distribution (inbound/outbound)
- Dienstreisen, Pendelverkehr
- Nutzung der verkauften Produkte
- Entsorgung von Produkten und Abfällen
- Kapitale Güter (Maschinen, Anlagen, Gebäude)
Wichtig ist eine Wesentlichkeitsbetrachtung: Nicht jede Scope-3-Kategorie muss im Detail berechnet werden, aber die wesentlichen Emissionsquellen sollten adressiert werden – insbesondere jene, die auch im Rahmen von ESRS E1 und doppelter Wesentlichkeit als material gelten.
Datenerhebung: Activity Data statt Schätzerei
Für jede Emissionsquelle werden möglichst harte Aktivitätsdaten erhoben:
- Energieverbräuche (kWh, m³, Liter)
- Mengen (Tonnen Material, km Transport, Anzahl Übernachtungen etc.)
- Umsatz-/Produktionsdaten zur Verteilung auf Einheiten/Standorte
Typische Datenquellen:
- Rechnungen (Energieversorger, Dienstleister)
- Zählerdaten (Strom, Gas, Wärme)
- ERP-/Warenwirtschaftssysteme (Einkauf, Logistik)
- HR-/Reisekosten-Systeme (Dienstreisen, Pendelverkehr)
- Facility Management, Fuhrparkmanagement
Praxis-Tipp: Lieber robuste Näherungen mit transparenter Methodik als scheinbare Genauigkeit mit fragwürdigen Annahmen. Wichtig ist die Reproduzierbarkeit.
Emissionsfaktoren anwenden und Emissionen berechnen
Die Aktivitätsdaten werden mit geeigneten Emissionsfaktoren multipliziert:
Emissionen (t CO₂e)=Aktivitätsdaten×Emissionsfaktor
Quellen für Emissionsfaktoren:
- nationale Datenbanken (z. B. Umweltbundesamt)
- internationale Datenbanken (z. B. IPCC, DEFRA, IEA)
- branchenspezifische Datenbanken / Ökobilanz-Tools
- vertragsspezifische Faktoren (z. B. bei Ökostrom mit Herkunftsnachweisen)
Wichtig:
- Dokumentation der verwendeten Faktoren (Quelle, Jahr, ggf. Standortbezug).
- Verwendung aktueller Faktoren, um Verzerrungen zu vermeiden.
- Konsistenz über die Jahre – bei Wechseln: transparent begründen.
Konsolidierung, Qualitätssicherung und Plausibilisierung
Die berechneten Emissionen werden:
- je Scope, Standort, Emissionsquelle konsolidiert,
- durch Plausibilitätschecks geprüft, z. B.:
- Vergleich zu Vorjahren (wenn vorhanden)
- Benchmarking mit ähnlichen Unternehmen/Branchen
- Cross-Checks mit Energie-/Kostenrechnung
Typische Fragen:
- Passen Energieverbräuche zu Produktionsvolumina und Öffnungszeiten?
- Gibt es große Emissionsblöcke, die offenkundig fehlen (z. B. eingekaufte Rohstoffe, Logistik)?
- Ist die Aufteilung zwischen Scope 2 und 3 korrekt?
Auf dieser Basis entsteht ein validierter Corporate Carbon Footprint, der intern fachlich getragen wird.
Ergebnisdarstellung: Wie ein CCF sinnvoll berichtet wird
Ein CCF ist mehr als eine einzelne Zahl. Entscheidend ist eine strukturierte, vergleichbare Darstellung:
- Gesamtemissionen (t CO₂e) je Jahr
- Aufteilung nach Scope 1, 2, 3
- Aufteilung nach Standorten / Business Units
- Aufteilung nach Emissionskategorien (z. B. Energie, Rohstoffe, Transport, Produkte)
- Intensitätskennzahlen (z. B. t CO₂e pro Tonne Produkt, pro Umsatz, pro Mitarbeitenden)
Grafische Darstellungen (Balken-/Tortendiagramme) machen auf einen Blick sichtbar:
- Wo die wesentlichen Emissions-Hotspots liegen
- Wo schnelle Hebel („Quick Wins“) erreichbar sind
- Wie sich Emissionen über mehrere Jahre entwickeln
Vom CCF zur Dekarbonisierung: Nutzung für Strategie und Maßnahmen
Der Corporate Carbon Footprint ist kein Selbstzweck. Er schafft die Grundlage für:
- Klimastrategie & Net-Zero-Ziele:
- Definition von Reduktionspfaden in Linie mit 1,5 °C.
- Ableitung von Science Based Targets.
- Dekarbonisierungsfahrplan:
- Priorisierung von Maßnahmen nach CO₂-Einsparung, Investitionsbedarf, Amortisation.
- Zuordnung von Verantwortlichkeiten und Zeitachsen.
- Investitionsentscheidungen & EU-Taxonomie:
- Identifikation taxonomie-relevanter Investitionen (z. B. energieeffiziente Anlagen).
- Integration in Capex- und Budgetplanung.
- Nachhaltigkeitsbericht (ESRS E1):
- Erfüllung der Offenlegungspflichten zu Emissionen, Zielpfaden, Plänen und Fortschritten.
- Kunden- & Lieferantenkommunikation:
- Nachweise in Ausschreibungen, CSR-Fragebögen, Ratings.
Kurz: Der CCF übersetzt abstrakten Klimadruck in konkrete Steuerungsgrößen für Management und Fachbereiche.
Typische Herausforderungen – und wie man sie pragmatisch löst
Herausforderung 1: Datenlücken, vor allem in Scope 3
- Lösung: mit relevanten Kategorien starten, Näherungen nutzen, klar dokumentieren. Schrittweise Verfeinerung über mehrere Jahre.
Herausforderung 2: Komplexe Unternehmensstrukturen
- Lösung: klare Organisationsgrenzen definieren, Pilot-Standorte wählen, konsistente Methodik auf Konzern-Ebene ausrollen.
Herausforderung 3: Ressourcenmangel in der Organisation
- Lösung: Kombination aus internen Key-Usern (Energie, Einkauf, Controlling) und externer Unterstützung für Methodik, Datenmodell, Tool-Auswahl.
Herausforderung 4: Akzeptanz im Management
- Lösung: Business-Case-Perspektive betonen (Energiekosten, CO₂-Preis, Kundenanforderungen, Finanzierung) statt „nur“ Pflichtübung.

Wie ECO-VOX Unternehmen beim Corporate Carbon Footprint unterstützt
Ein praxisnaher Ansatz umfasst typischerweise:
- Scoping & Standard-Setzung
- Definition von Ziel, Scope, Organisationsgrenzen und Standards (GHG Protocol, ESRS E1-Fit).
- Datenmodell & Datenerhebung
- Entwicklung eines schlanken, aber zukunftsfesten Datenmodells.
- Unterstützung bei Datenerhebung aus ERP, Energieabrechnungen, Logistik, HR etc.
- Berechnung & Plausibilisierung
- Anwendung geeigneter Emissionsfaktoren.
- Plausibilitätschecks und Benchmarking.
- Visualisierung & Management-Reporting
- Aufbereitung für Geschäftsführung, Nachhaltigkeitsbericht und Stakeholder.
- Identifikation von Hotspots und Quick Wins.
- Brücke zur Klimastrategie
- Ableitung von Reduktionspfaden, Investitionsbedarfen und Governance-Strukturen.
So wird der Corporate Carbon Footprint vom isolierten CO₂-Report zum strategischen Steuerungsinstrument für Transformation und Dekarbonisierung.