Während der Corporate Carbon Footprint (CCF) den gesamten CO₂-Fußabdruck eines Unternehmens misst, geht der Product Carbon Footprint (PCF) ins Detail. Er beantwortet eine Frage, die Kunden, Investoren und Regulatoren immer lauter stellen: Welche Klimawirkung hat dieses spezifische Produkt – von der Rohstoffgewinnung bis zur Entsorgung?
Der PCF ist längst mehr als eine nette Kennzahl für das Marketing. Er ist die Datenbasis für Ökodesign, Lieferkettentransparenz und die Erfüllung kommender EU-Regularien (wie dem Digitalen Produktpass).
Was ist der Product Carbon Footprint?
Der Product Carbon Footprint summiert alle Treibhausgasemissionen (umgerechnet in CO₂-Äquivalente), die ein Produkt über seinen gesamten Lebenszyklus verursacht.
Dabei werden zwei Betrachtungsweisen unterschieden:
1. Cradle-to-Gate (Wiege bis Werkstor)
Dieser Ansatz misst die Emissionen von der Rohstoffgewinnung über den Transport bis zum fertigen Produkt, das die Fabrik verlässt.
- Einsatzgebiet: Typisch für B2B-Beziehungen (Business-to-Business), da der Hersteller oft keinen Einfluss auf die Nutzungsphase beim Endkunden hat.
2. Cradle-to-Grave (Wiege bis Bahre)
Hier wird der gesamte Lebenszyklus betrachtet: Rohstoffe -> Produktion -> Transport -> Nutzung -> Entsorgung/Recycling.
- Einsatzgebiet: Typisch für B2C-Produkte, bei denen die Nutzung (z. B. Stromverbrauch eines Fernsehers) oder die Entsorgung einen großen Teil der Emissionen ausmacht.
Wie wird der PCF berechnet? (Methodik)
Um Vergleichbarkeit zu gewährleisten, folgen Unternehmen internationalen Standards wie der ISO 14067 oder dem GHG Protocol Product Standard. Die Berechnung erfolgt meist in vier Schritten:
- Ziel & Umfang definieren: Welches Produkt wird analysiert? Welche Systemgrenzen gelten (Cradle-to-Gate vs. Cradle-to-Grave)?
- Sachbilanz erstellen (LCI): Erfassung aller Stoff- und Energieströme (Input: Rohstoffe, Strom, Wasser / Output: Produkt, Abfall, Emissionen).
- Wirkungsabschätzung: Umrechnung der Verbräuche in CO₂-Äquivalente mithilfe von Emissionsfaktoren (z. B. „1 kWh deutscher Strom = X kg CO₂“).
- Interpretation: Wo liegen die Hotspots? Ist es der Transport der Rohstoffe oder der Energieverbrauch in der Fertigung?
Die Herausforderung: Primär- vs. Sekundärdaten
- Primärdaten: Selbst gemessene Daten (z. B. Stromzähler an der eigenen Maschine). Diese sind am genauesten.
- Sekundärdaten: Durchschnittswerte aus Datenbanken (z. B. für den CO₂-Wert von zugekauftem Stahl), wenn keine Lieferantendaten vorliegen.
Warum der PCF für Unternehmen entscheidend ist
Die Berechnung des PCF ist aufwendig, aber sie liefert strategische Vorteile:
1. Transparenz in der Lieferkette (Scope 3)
Oft entstehen 80–90 % der Emissionen eines Produkts nicht im eigenen Werk, sondern in der vorgelagerten Lieferkette (Scope 3 Upstream). Der PCF zwingt Unternehmen, genau hinzusehen und emissionsärmere Lieferanten oder Materialien zu wählen.
2. Wettbewerbsvorteil & Kundenanforderung
Große Einkäufer (z. B. in der Automobilindustrie) fordern von ihren Zulieferern zunehmend PCF-Daten für jede Komponente. Wer keine Daten liefern kann, verliert Aufträge. Auch Endkonsumenten entscheiden sich häufiger für Produkte mit transparentem Klima-Label.
3. Vorbereitung auf Regulierung (ESRS & Produktpass)
Im Rahmen der CSRD (ESRS E1) müssen Unternehmen ihre Klimastrategie offenlegen. PCF-Daten sind ein wesentlicher Baustein, um glaubwürdige Reduktionsziele zu formulieren. Zudem wird der kommende Digitale Produktpass (DPP) der EU voraussichtlich CO₂-Informationen für viele Produktgruppen verpflichtend machen.
4. Kostensenkung durch Effizienz
Wer weiß, wo CO₂ entsteht, weiß oft auch, wo Energie oder Material verschwendet wird. PCF-Analysen decken Ineffizienzen auf und helfen, Kosten zu senken (z. B. durch Materialeinsparung oder optimierte Logistik).
Daten sind der Schlüssel
Der Product Carbon Footprint wandelt sich von einer freiwilligen Kür zur Pflicht. Unternehmen sollten jetzt beginnen, die notwendige Dateninfrastruktur aufzubauen. Denn in Zukunft gilt: Kein CO₂-Preisschild, kein Geschäft.