Science-Based Targets (SBTs) sind heute einer der zentralen Referenzrahmen für glaubwürdige Klimastrategien. Sie beantworten die Frage: Um wie viel und wie schnell muss unser Unternehmen seine Emissionen senken, um mit dem 1,5-°C-Ziel des Pariser Abkommens kompatibel zu sein?
Die Science Based Targets initiative (SBTi) ist eine gemeinsame Initiative von CDP, UN Global Compact, World Resources Institute (WRI) und WWF. Sie unterstützt Unternehmen dabei, Emissionsziele auf Basis aktueller Klimawissenschaft und der Ziele des Pariser Abkommens zu definieren.
1. Was sind Science-Based Targets?
Science-Based Targets sind emissionsbasierte Reduktionsziele, die:
- sich an wissenschaftlich abgeleiteten Emissionspfaden orientieren,
- mit der Begrenzung der Erderwärmung auf maximal 1,5 °C kompatibel sind,
- definieren, wie stark und wie schnell ein Unternehmen seine Treibhausgase reduzieren muss.
Die SBTi gibt einen klaren Rahmen vor:
- Standardisierte Kriterien für Zielsetzung und Ambitionsniveau
- Branchenspezifische Leitfäden und Methoden
- Externe Validierung der Unternehmensziele
Seit der Ambitionsanhebung der SBTi liegt der Fokus klar auf 1,5-°C-kompatiblen Zielen – „well-below 2°C“ reicht langfristig nicht mehr aus.
2. Business-Relevanz: Warum SBTs für Entscheider wichtig sind
Für Industrieunternehmen, börsennotierte Firmen und berichtspflichtige Mittelständler sind Science-Based Targets ein strategisches Steuerungsinstrument, kein PR-Label:
Regulatorik & Reporting
- Alignment mit Paris-Abkommen und EU-Klimazielen
- Anschlussfähigkeit an CSRD/ESRS, Taxonomie und Klimarisikoberichterstattung
- Bessere Position in ESG-Ratings, Investorendialogen und Banken-Gesprächen
Wettbewerbsfähigkeit & Vertrieb
- Nachweisbare Klimastrategie in Ausschreibungen und Lieferketten
- Reduktion von Reputations- und Greenwashing-Risiken – insbesondere vor dem Hintergrund strengerer Regeln und erster Gerichtsurteile zu irreführenden Klimaversprechen
Kosten, Effizienz & Risikomanagement
- Frühzeitige Reaktion auf steigende CO₂-Preise, CBAM und Energiepreisrisiken
- Effizienzprogramme werden an klaren CO₂-Reduktionspfaden ausgerichtet
- Klimarisiken (physisch & transitorisch) werden in die Unternehmenssteuerung integriert
Kurz gesagt: SBTs verbinden Klimaschutz mit Risikoreduzierung, Kosteneffizienz und Marktzugang.
3. Der SBTi-Prozess: Von der Verpflichtung zur Umsetzung
Die SBTi beschreibt einen standardisierten 5-Stufen-Prozess für Unternehmen:
- Commit – Selbstverpflichtung
- Offizielle Commit-Erklärung an die SBTi, Sektor- und Scope-Abgrenzung
- Internes Go durch Geschäftsleitung / Vorstand
- Develop – Ziele entwickeln
- Analyse des Corporate Carbon Footprint (Scope 1, 2, 3)
- Auswahl geeigneter Methoden (z. B. Absolute Contraction, Sectoral Decarbonization)
- Definition von kurzfristigen (5–10 Jahre) und langfristigen Net-Zero-Zielen
- Submit – Validierung durch SBTi
- Einreichung der Berechnungen und Annahmen
- Prüfung durch SBTi-Expert:innen anhand definierter Kriterien
- Offizielle Bestätigung oder Nachforderung von Anpassungen
- Communicate – Ziele kommunizieren
- Veröffentlichung der Ziele auf der SBTi-Plattform und Unternehmenskanälen
- Integration in Berichte, Investor Relations, Employer Branding, Vertrieb
- Disclose & Implement – Fortschritt steuern
- Jährliches Monitoring und Reporting (z. B. im Rahmen von CSRD/ESRS)
- Integration der Ziele in Capex, Opex, Produktstrategie und Lieferkette
- Anpassung bei neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen oder Regulation
4. SBTs, CSRD und Net Zero: Wie alles zusammenspielt
Mit der CSRD werden große Teile der europäischen Wirtschaft verpflichtet, klimabezogene Kennzahlen und Ziele transparent und vergleichbar offenzulegen. Science-Based Targets sind hier ein logischer Ankerpunkt:
- ESRS E1 (Klimawandel) verlangt klare Angaben zu Klimastrategie, Zielen und Reduktionspfaden.
- SBT-konforme Ziele liefern genau diese Pfade – inklusive Scope-1-, Scope-2- und relevanter Scope-3-Emissionen.
- Der SBTi Net-Zero Standard definiert, wie ein wissenschaftsbasiertes Net-Zero-Ziel auszusehen hat und wie Restemissionen minimiert und erst im letzten Schritt kompensiert werden.
Für Unternehmen entsteht so ein integriertes Setup:
- CO₂-Bilanz → Status quo und Hotspots
- Science-Based Targets → wissenschaftsbasierte Reduktionspfade
- CSRD/ESRS → Reporting-Framework und Transparenz
- Net-Zero-Strategie → langfristige Zielarchitektur und Business-Transformation
5. Typische Herausforderungen – und wie man sie adressiert
In der Praxis zeigen sich bei SBT-Projekten immer wieder die gleichen Hürden:
1. Datenqualität & Scope-3-Komplexität
- Herausforderung: unvollständige, dezentrale Daten, komplexe globale Lieferketten
- Hebel: strukturierte Datenerhebungsprozesse, Fokus auf Hotspots, Zusammenarbeit mit Schlüssellieferanten
2. Ambitionsniveau vs. Business-Realität
- Herausforderung: 1,5-°C-kompatible Pfade sind anspruchsvoll und erfordern echte Eingriffe ins Geschäftsmodell
- Hebel: Szenarioarbeit, Capex-Roadmaps, frühzeitige Einbindung von Produktion, F&E, Einkauf und Vertrieb
3. Governance & Umsetzung
- Herausforderung: Klimathemen bleiben im Nachhaltigkeits- oder Umweltbereich „hängen“
- Hebel: Verankerung in Vorstand/Zentralfunktionen, KPI-Verknüpfung, Anreizsysteme und interne Steuerung über CO₂-Kennzahlen
4. Kommunikation & Greenwashing-Risiko
- Herausforderung: ambitionierte Claims ohne belastbare Zahlen
- Hebel: faktenbasierte Kommunikation, klare Abgrenzung von Reduktion und Kompensation, Bezug auf SBTi-Validierung
6. Fazit für Entscheider
Science-Based Targets sind der aktuelle Goldstandard für unternehmerische Klimaziele:
- Sie sichern Kompatibilität mit dem 1,5-°C-Pfad und damit mit den zentralen Zielen des Pariser Abkommens.
- Sie schaffen Vertrauen bei Kunden, Investoren, Banken und Mitarbeitenden.
- Sie reduzieren Regulierungs-, Reputations- und Geschäftsrisiken und stärken die Position in Ausschreibungen und Lieferketten.
- Sie machen Klimastrategie steuerbar – mit klaren Zwischenzielen, KPIs und Verantwortlichkeiten.
Für Industrie- und Mittelstandsunternehmen gilt:
Wer Science-Based Targets frühzeitig integriert, schafft einen belastbaren Rahmen für Dekarbonisierung, Reporting und Transformation – und sichert sich damit einen strategischen Vorsprung im Wettbewerb um Kapital, Talente und Kunden.